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Denkmalpflege in China ? Tabula Rasa oder Rückbesinnung?

Die gefährdete Baukultur eines ganzen Kontinents

Betrachtet man den Umgang der Chinesen mit ihrer Baukultur mit westlichen Augen und glaubt all den Medienberichten, kommt man voreilig zum Schluss China hätte überhaupt kein Interesse an der Erhaltung und opferte gegenwärtig alles dem Wirtschafts- und Bauboom: Häuser, Dörfer, Stadtquartiere und Landschaften. Man vergegenwärtigt sich jedoch kaum, dass China auf 9,6 Millionen Quadratkilometern die geographische, geschichtliche und kulturelle Vielfalt eines ganzen Kontinents umfasst.

China war nie ein Einheitsstaat und ist es, trotz ideologischer Verklärung, auch heute nicht. Das Land war und ist geprägt vom ständig
wechselnden Spannungsfeld zwischen dem politischem Zentrum und den Provinzen. Wir haben deshalb nur wenig Ahnung, wie es sich mit
dem immobilen Kulturgüterbestand dort verhält. Wenn wir von den Baudenkmälern in China sprechen, betrifft das fast immer die nationalen
Kulturgüter. Eine Liste mit 180 historischen Stätten und Kulturgütern
von nationaler Bedeutung wurde erstmals im Jahre 1961 vom Staatsrat
der Volksrepublik China festgesetzt. Im Jahre 2006 umfasste diese Liste bereits 2351 nationale Einzelbaudenkmäler. In ganz China, so schätzt man, sind über 400 000 historische Bauten rechtlich geschützt. Als geschützte Ortsbilder gelten 101 Städte auf nationaler und 80 auf provinzieller Ebene, dazu 44 geschützte Kleinstädte und 36 Dörfer von nationaler Bedeutung. Wenn man mittels einer virtuellen Linie das chinesische Festland in zwei ungefähr gleiche Hälften teilt (Aihui-Tengchong Linie), dann ist statistisch festzustellen, dass 95% der Bevölkerung in der stark urbanisierten Osthälfte leben und bloss 5% in der wirtschaftlich rückständigen westlichen. Das bedeutet aber auch, dass beim Entwicklungsboom der letzten 20 Jahre die bevölkerungsreiche Osthälfte
Chinas grundlegend «umgepflügt» worden ist. Der bauliche Aderlass dabei war immens und der kulturelle Verlust irreparabel. Für den Asiaten hat die «Aura» oder der geistige Erinnerungswert eines Ortes einen höheren Stellenwert, als seine materielle geschichtliche Bausubstanz. Die Rekonstruktion eines Baudenkmals ist gleichwertig mit dem Original. Es besteht darin ein grundsätzlicher Unterschied zur modernen westlichen Auffassung von Baudenkmälern. In Verbindung mit anderen Faktoren hat diese Haltung in China zu einem verhängnisvollen Trend geführt: Abbruch und Wiederaufbau als Möglichkeit der «Denkmal-Pflege».

Bild: Christian Renfer

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