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Gegenwart und Gedächtnis

Seit der Romantik hat das kollektive Gedächtnis eine gespaltene Funktion: Es legitimiert den Fortschritt und es bremst ihn. Bedroht durch Bolschewismus und Faschismus begann man in der Schweiz die Volkskultur zu beleben. Das Konzept hiess geistige Landesverteidigung, die 1939 gegründete Pro Helvetia wurde zu seiner Architektin. Doch staatlich definierte kulturelle Identität führt zum Stillstand. Das traurigste Opfer wurde die Volksmusik: Vorher im ständigen Fluss, brachte sie während 50 Jahren keine neue Form mehr hervor.


Die Spannung zwischen Fortschritt und der Fixierung auf die Tradition entlud sich 1968. In der Schweiz geriet die Volkskultur damit ins Abseits, die Denkmalpflege wurde politisch mit den Konservativen assoziiert. Die fortschrittlichen Kräfte forderten neue Lesarten für die Denkmäler. «Denkmalschutz» wurde zu «Kulturgüter-Erhaltung», und damit gerieten nicht nur Referenz-Objekte unter Schutz, sondern jede kulturelle Spur. In den 80er- und 90er-Jahren herrschte das Dogma der Befreiung von der Ideologie, wozu auch die Tradition gezählt wurde. Doch mit der Freiheit kam die Ratlosigkeit: Woran soll man sich halten, wenn die Kultur als Mittel zur Konstruktion von nationaler Identität nicht mehr taugt?


Erhalt des Vergangenen, Förderung des Gegenwärtigen und Ermöglichung des Künftigen stehen in einem unauflöslichen Zusammenhang. Diesen Zusammenhang muss man wirksam machen – und sichtbar. Durch den Verlust ihrer Verankerung ist Kultur zur Schaffung eines Selbstverständnisses ist sie aber bedeutungslos geworden. Auf staatlicher Ebene ein Sparobjekt, auf kantonaler ein Schmiermittel der Ökonomie. Das Programm «echos – Volkskultur für morgen» von Pro Helvetia will über das künftige Verhältnis von Gedächtnis und Gegenwart nachdenken. Und darüber, wie Kulturgüter nicht nur erhalten, sondern einem künftigen Gebrauch zugeführt werden können.

 

Bild: Heini Stucki

 

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